Museumsleiterin Dr. Phil. Birgit Hessellund schreibt über die Skulptur "Wachstumsschmerzen", die ihren Standort im Musikhausgarten in Aarhus hat:
Die Aarhuser Freilichtskulpturensammlung wird August 1989 um die Bronzeskulptur "Wachstumsschmerzen" reicher, geschaffen von Bildhauerin Gudrun Steen-Andersen. Von ihrem feinen Standort am Bassin vor dem Musikhaus wird die Skulptur viele Besucher begrüßen - sowohl Einheimische als auch Touristen. Und keiner wird im Zweifel sein, was die Skulptur nun auch darstellt. Weil das ist für jeden ersichtlich! Wer denkt aber daran, daß es in der Tat ziemlich dreist ist, Anno 1989 so naturalistisch zu arbeiten? Denn es ist ja gar nicht modern! Es erfordert genau gesehen denselben Mut wie der des Modernisten, als er sich vor 100 Jahren über die naturgetreue Wiedergabe der äußeren Wirklichkeit hinwegsetzte. "Die Natur ist nichts, das Bild davon ist alles" hallte damals das Kampfgeschrei des Modernismus. Gewiß, aber ohne Natur kein Bild. Und ohne Menschen keine Kunst.
Seit je her beschäftigt sich der Mensch mit seiner eigenen Gattung. Blickt man zurück auf die Kulturgeschichte, bekommt man Zeugnisse dieser ewigen Faszination und Erforschung des menschlichen Körpers und der menschlichen Seele. Selbst das Göttliche wurde wohl erst richtig interessant, als es menschliche Gestalt annahm und Fleisch und Blut wurde.
Der damals 12-jährige Sohn von Gudrun Steen-Andersen hat ihr als Modell für die Skulptur gedient. Die Skulptur ist aber kein Portrait von ihm. Sie reicht weiter und symbolisiert Wachstumsschmerzen und die diesem Begriff innewohnende Unruhe und Veränderung von einer Stufe zu einer anderen.
Nichts drückt wie die Pubertät diesen Zustand von sowohl selbstbewußter Sicherheit als auch unendlicher Verwundbarkeit aus, wenn die Puppenhülle aufzubrechen beginnt und die Metamorphose vom Kind zum Erwachsenen stattfinden soll. Daß sich viele Künstler im Laufe der Zeit von diesem Spannungsfeld angezogen fühlten ist nicht verwunderlich. Oft wurde dies durch den Frühling der Jugend contra den Herbst des Alters symbolisiert.
Eines der bekanntesten Gemälde ist Wohl "Pubertät" von Edvard Munch, das ein junges, zartes Mädchen auf seinem Bett sitzend, die Arme beschützend über die Nacktheit des Körpers verschränkt, darstellt.
Die Jungenskulptur von Gudrun Steen-Andersen dagegen macht sich breit. Die Füße in breiter Grätschstellung und die Hände in die Seiten gestemmt. "Komm bloß an", sagt er der Welt, dieser Bursche in den Flegeljahren, der sowohl ein wenig frech als auch tollkühn ist.
So erscheint es auf den ersten Blick. Der Ausdruck ist aber mehrdeutig, denn die Selbstsicherheit ist ein notwendiger Deckmantel für die Verwundbarkeit des Alters und die unter die Haut gehende Empfindlichkeit. Dies hat die Künstlerin in gut gesehenen, kleinen Details eingefangen. Im schrägen Blick, der ein bißchen nach innen gekehrt und nachdenklich ist - weil die große Frage auch zum Alter gehört. In den Füßen, die ganz leicht nach vorn auf die Vorderfüße kippen. Er steht und schätzt die Lage ab und ist bereit, sich vorwärts zu bewegen.